Die neueste Emnid-Umfrage - richtig gelesen!

Der Nachrichtensender n-tv hat am 17. April 2003 folgende Umfrageergebnisse des Instituts Emnid zur Sonntagsfrage veröffentlicht: CDU/CSU 44, SPD 32, FDP 7, Grüne 10 und PDS 4 Prozent. Unter Berücksichtigung der unvermeidlichen Fehler, die durch die zufällige Auswahl der Befragten entstehen, hätten die Ergebnisse wie folgt päsentiert werden müssen:

CDU/CSU SPD Bündnis90/Grüne FDP PDS
41,4 - 46,6 29,4 - 34,6 8,7 - 11,3 5,7 - 8,3 2,7 - 5,3

Die präsentierten Zahlen - CDU/CSU 44, SPD 32, FDP 7, Grüne 10 und PDS 4 Prozent - wurden als genaues Abbild der aktuellen Situation dargestellt, von Ungenauigkeiten ist keine Rede. Die Zahlen werden nicht mit von einem unbekannten n-tv-Soldaten verlesen, sondern von Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner persönlich vorgetragen. Daß diese Zahlen nichts wert sind, hat sich Emnid sogar notariell bestätigen lassen. Ein Notar zu Bielefeld wurde von Emnid beauftragt, die folgende Prognose

CDU SPD Bündnis90/Grüne FDP
42,3 - 49,2 32,9 - 41,1 5,8 - 10,2 5,8 - 10,2

einen Tag vor der Bundestagswahl 1987 zu beglaubigen. Aber selbst diese vagen Zahlen seien nicht 100% sicher, sondern nur zu 90%, wie Emnid dem Notar anvertraute!

Hätte Emnid diese Fehlertoleranz nicht unter Verschluß gehalten, dann hätte die Prognose für den Bund vom 17. April 2003 wie folgt gelautet:

CDU SPD Bündnis90/Grüne FDP PDS
40,5 - 47,4 27,9 - 36,1 7,8 - 12,2 4,8 - 9,2 1,8 - 6,2

Als Lachnummer wunderbar, aber als Umfrageergebnis ungenießbar: Denn es läßt die Möglichkeit offen, daß FDP und PDS an der 5%-Grenze scheitern und Rotgrün vor der Union liegt. Mit dem Eingständnis von riesigen Fehlertoleranzen würde Emnid die Einschaltquote Null einfahren. Weil das nicht im Sinne von Emnid ist, wird dieses Geheimnis offenbar nur mit dem wehrlosen Notar geteilt.


Technische Information:

Die in der gelben Tabelle angegeben Fehlerspannen, die durch die Zufallsauswahl der befragten Wahlberechtigten entstehen, kann man auch als Laie mit Hilfe des Programmes Mißerfolgs-Statistik einsehen und nachvollziehen. Hierfür klickt man das Programm Mißerfolgs-Statistik an und gibt die von Emnid angegebenen Daten ein. Emnid hat für die Umfrage die Telefonnummern von 3228 Wahlberechtigte ausgelost und diese telefonisch befragt. Emnid macht keine Angaben darüber, wieviele davon gesagt haben, daß sie tatsächlich zu wählen beabsichtigen. (Diese Frage wird zwar immer gestellt, aber die Antworten regelmäßig unter Verschluß gehalten.) Es wird deshalb die übliche Wahlbeteiligung von etwa 80% bei Bundestagswahlen angenommen. Man gibt man in der Input-Spalte (linke Seite der Tabelle) die von Emnid angegebenen Parteistärken

CDU/CSU 44, SPD 32, FDP 7, Grüne 10 und PDS 4 Prozent

ein. Im Block oben rechts gibt man als "Anzahl der Wahlberechtigten pro Umfrage" 3228 an und setzt für die Wahlbeteiligung 80% ein. Um die Auswirkungen der Zufallsauswahl auf das Umfrageergebnis festzustellen, werden nun viele solche Auslosungen durchgeführt. Die Anzahl der Umfragen ist standardmäßig auf 1000 vorgegeben. Wird eine größere Anzahl gewählt, kann die Berechnung sehr lange dauern. Mit dem Button "LOS" werden die Auslosungen gestartet. Es werden dann jeweils 3228 Wahlberechtigte für eine Umfrage ausgelost und die auslosungsbedingten Fehler spaltenweise angezeigt. So sieht man, daß die Fehler von Umfrage zu Umfrage (d.h. von Auslosung zu Auslosung) stark varieren und von zwischen den sechs Fehlerkategorien hin und her springen. In den beiden Spalten links sind die Fehler klein (unter 0,5% bzw. 1%), in den beiden Spalten rechts groß (über 3% bzw. 4% für große Parteien und die Hälfte davon für kleine). Man sieht, daß es sehr selten vorkommt, daß für alle 5 Parteien die Fehler klein sind. Meist ist der Fehler für mindestens eine Partei beträchtlich. Um die Auslosungen schnell zu beenden, drücken man den Button "Schnell beenden". Die statistische Auswertung der Auslosungen ist in der untersten Tabellenzeile der "Mißerfolgsstatistik" zu finden. Es zeigt sich dasß 84% der Umfragen die Toleranzen von plus/minus zwei Prozent für die großen und plus/minus ein Prozent für die kleinen Parteien einhalten. Genauere Resultate kann man der unten angeführten Tabelle entnehmen: Etwa 95% der Umfragen (Auslosungen) halten Toleranzen von plus/minus 2,6% für die großen und plus/minus 1,3% für die kleinen Parteien ein. Aber etwa 5% der Umfragen (Auslosungen) schaffen nicht einmal das. Mit andern Worten, in jeder 20. Umfrage ist der auslosungsbedingte Fehler für eine große Partei größer als plus/minus 2,6% oder für eine kleine Partei größer als plus/minus 1,3%!

Scherzfrage: Wie viele von 100 Umfragen schaffen es, die von Emnid vermarkteten Parteistärken (CDU/CSU 44, SPD 32, FDP 7, Grüne 10 und PDS 4 Prozent) zu treffen?

Scherzfrage: Wie viele von 10000 Umfragen schaffen es, die von Emnid vermarkteten Parteistärken (CDU/CSU 44, SPD 32, FDP 7, Grüne 10 und PDS 4 Prozent) zu treffen?


Maximale Abweichung
eingehalten von
für große Parteien für kleine Parteien (in Prozent von 100000 Umfragen)
1,0% 0,5% 26%
1,2% 0,6% 40%
1,4% 0,7% 54%
1,6% 0,8% 67%
1,8% 0,9% 77%
2,0% 1,0% 84%
2,2% 1,1% 90%
2,4% 1,2% 93%
2,6% 1,3% 95%
2,8% 1,4% 98%
3,0% 1,5% 98,6%
3,2% 1,6% 99,2%
>3,2% >1,6% 0,8%
Grundlage der Simulation: 100000 Wiederholungen, Parteistärken laut Emnid, ebenso Stichprobenumfang (3228) und Wahlbeteiligung (80%).